LOGOTHERAPIE A-Z
Mit seiner Existenzanalyse und Logotherapie hat Viktor E. Frankl vielen Menschen eine sinnvolle Sicht auf die Welt eröffnet. Es gibt jedoch Begriffe, die nicht alle kennen und uns ist es ein Anliegen, Sie auf eine möglichst leichte Art und Weise zu inspirieren und zum Nachdenken anzuregen. Außerdem möchten wir Ihnen auch über Frankl selbst das ein oder andere näher erzählen.
Bei allen Werten, die Viktor Frankl in seinem Leben mit Begeisterung verwirklicht hat, war das Bergsteigen und die Natur ein wesentlicher Ausgleich zu seiner Geistigkeit. Sein Bergführerabzeichen des Alpenvereins war ihm – lt. Elli Frankl – wichtiger als seine Ehrendoktorate. In der Rax trägt ein Klettersteig seinen Namen.
In einer ORF Sendung „Land der Berge“ schilderte Viktor Frankl wie sehr ihn Wanderungen auf der Rax, zum Nachdenken angeregt haben. Er hat dies als vita comtemplativa bezeichnet und auf diese Weise entstanden die Ideen zu seinen Büchern. An der Preiner-Wand angekommen galt seine Aufmerksamkeit der vita activa, dem wohlverstandenen Klettern.
„Wenn es sich auch nur um einen Augenblick handelt – schon an der Größe eines Augenblicks lässt sich die Größe eines Lebens messen:
die Höhe einer Bergkette wird ja auch nicht nach der Höhe irgendeiner Talsohle angegeben, sondern ausschließlich nach der Höhe des höchsten Berggipfels. So entscheiden aber auch im Leben über dessen Sinnhaftigkeit die Gipfelpunkte, und ein einziger Augenblick kann rückwirkend dem ganzen Leben Sinn geben.“ (Ärztliche Seelsorge)
Viktor Frankl war gläubiger Jude und die Bibel, besonders die Psalmen, waren für ihn eine Art Weltkulturerbe. Wesentlich war für Viktor Frankl die Freiheit des Menschen in Verbindung mit Verantwortung. Diese Freiheit gilt besonders für den Bereich der Religion sowie der Spiritualität.
Im seinem Buch „Der unbewusste Gott“ schreibt er: „Wir gehen nicht auf eine universale Religion zu, vielmehr auf eine personale – eine zutiefst personalisierte Religiosität, eine Religiosität, aus der heraus jeder zu seiner persönlichen, seiner eigenen, seiner ureigensten Sprache finden wird, wenn er sich an Gott wendet:“
Der Mensch ist lt. Viktor Frankl fähig nicht nur seine Ecken und Kanten auszuleben, die er aufgrund seines Charakters hat, sondern er kann sich ändern. In Frankls Sinnlehre sprechen wir davon, dass der Mensch Person ist und zur Persönlichkeit werden kann. Der Begriff Persönlichkeit hat in der Logotherapie eine völlig andere Bedeutung als in der Gesellschaft. Eine Persönlichkeit, im Sinne des geistigen Erbes von Viktor Frankl, muss sich von sich selbst nicht alles gefallen lassen.
Wer zum Beispiel die Neigung hat, schnell enttäuscht oder beleidigt zu sein, wenn das Leben oder die Umstände nicht so sind, wie vorgestellt, der kann sich wie auf einer imaginären Bühne gegenübertreten und sich selbst ermutigen.
„Den Sinn des Daseins erfüllen wir mit Sinn – allemal dadurch, dass wir Werte verwirklichen.“ So formuliert Viktor Frankl in seinem Buch „Der leidende Mensch“ das Dasein. Ja und was heißt das jetzt? Für Werte in der Logotherapie gibt es eine gute Struktur, doch keinerlei Verordnung und kein Rezept. Wir müssen bedenken, dass die Logotherapie mehr als hundert Jahre alt ist und daher brauchen wir den Mut, damals gültige Begriffe zu übersetzen, damit sie leichter verständlich werden.
Schöpferische Werte, Erlebniswerte und Einstellungswerte, so bezeichnete Viktor Frankl die Wertekategorien seiner Sinnlehre.
Die schöpferischen Werten würden wir heute als Leistungsfähigkeit benennen. Dazu zählt der Beruf ebenso wie eine Tätigkeit, die man in der Freizeit ausübt, wie z. B. Holz bearbeiten oder malen oder eine andere Tätigkeit, die einen erfüllt.
Zu den Erlebniswerten zählt die Genussfähigkeit, das Genießen-können eines Abends mit Familie oder ein Ausflug mit Freunden oder der Besuch eines Konzertes oder eines Films.
Leistungs- und Genussfähigkeit waren auch für Sigmund Freud wesentliche Merkmale unseres Menschseins. Viktor Frankl dachte weiter. Jeder Mensch erlebt Situationen in denen er weder leisten noch genießen kann und dann ist seine Einstellung gefragt. Wie er sich zu den veränderten Bedingungen einstellt und wie er mit jenen Lebensfragen umgeht, die schwierig zu beantworten sind.
In der Reihe „Menschenbilder“ des ORF gibt es ein Gespräch mit Elli Frankl. „Mein Mann war noch ein Mann des vorigen Jahrhunderts und da hat die Frau eine andere Stellung gehabt, wie heute und ich habe alles gemacht, aufgeräumt, gekocht, gewaschen, gebügelt, geschrieben, alles. Es war nicht leicht, er hat mir dann diktiert und ich habe durchschnittlich jeden Tag einen 14-Stunden-Tag gehabt. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, es war leicht, aber es war ein erfülltes Leben. Mein Leben hatte den Sinn Viktor beizustehen.“
Als Gegenpol zur „Tragischen Trias“ ist Inge Patsch die „Fröhliche Trias“ eingefallen. Zu den „Fröhlichen Drei“ gehören Begeisterung, Lebensfreude und Dankbarkeit. Wer sich für eine Sache begeistert, wird vom Wert selbst gestärkt und bekommt dadurch die Kraft, tätig zu werden. Die Lebensfreude selbst braucht nicht unbedingt einen Anlass. Die Freude am Leben zu sein, taucht manchmal ganz plötzlich auf und daraus kann sich jene Dankbarkeit einstellen, die niemand fordert. Ein Leben im Bewusstsein von Dankbarkeit macht immer wieder bewusst, wie sehr das Leben selbst ein Geschenk ist. Václav Havel schrieb in seinen Briefen an Olga: „Je mehr ich darüber nachdenke, was im Leben das Wichtigste ist, desto mehr neige ich der Ansicht zu, dass es das Entscheidendste ist, dass der Mensch die Hoffnung und den Glauben an das Leben nicht verliert und die Fähigkeit Freude an der Welt zu haben – auch wenn sie ist, wie sie ist.“
Bereits als Schüler hat sich Viktor Frankl für J. W. v. Goethe interessiert und er zitiert ihn in seinen Büchern immer wieder. Haddon Klingberg schreibt in „Das Leben wartet auf dich“: „Viktor Frankl erbettelte sich ein Buch von Goethe und vertiefte sich darin. Doch als Goethe im Deutschunterricht durchgenommen wurde, hat er ihn nicht mehr interessiert.“
Allein in der „Ärztlichen Seelsorge“ nimmt er sieben Mal Goethes Gedanken als Basis für sein weiteres Nachdenken.
„Wenn wir die Menschen nehmen, wie sie sind, so machen wir sie schlechter. Wenn wir sie behandeln, als wären sie, was sie sein sollten, so bringen wir sie dahin, wohin sie zu bringen sind.“
„Der Humor ist eine Waffe der Seele im Kampf um ihre Selbsterhaltung. Ist es doch bekannt, dass der Humor wie kaum sonst etwas im menschlichen Dasein geeignet ist, Distanz zu schaffen und sich über die Situation zu stellen, wenn auch nur für Sekunden.“ Diese Sätze stehen im „…trotzdem Ja zum Leben sagen“ und wer bisher noch nichts von Viktor Frankl gelesen hat, der sollte sich das Kapitel „Befreiung aus dem Lager“ gönnen.
Viktor Frankl schrieb auch ein Bühnenstück „Synchronisation in Birkenwald“. Es wurde am Tiroler Landestheater in Innsbruck in deutscher Sprache am 11. Juni 1983 uraufgeführt.
Innsbruck war bereits 1948 für Viktor Frankl wesentlich. Frankl selbst hat den Text „Synchronisation in Birkenwald“ einem Innsbrucker Freundeskreis vorgelesen. „Ludwig von Ficker, Herausgeber des „Brenner“, der große verehrungswürdige Trakl- und Kraus-Freund, lernte ihn kennen und erbat sich das Manuskript, das er in seiner Zeitschrift abdruckte. Nur wer weiß, wer Ludwig von Ficker gewesen ist, kann die ganze Bedeutsamkeit dieser Ehrung eines Zeitgenossen und seiner Botschaft ermessen. Frankl wählte für den „Brenner“ das Pseudonym Gabriel Lion – eine Verbindung des Vornamens seines Vaters mit dem Mädchennamen seiner Mutter.“ (Hans Weigel)
„Der Mensch ist immer mehr, als er von sich und ein anderer von ihm weiß“. Dieser Gedanke stammt von Karl Jaspers, einem der wichtigsten Philosophen des 20. Jahrhunderts. Viktor Frankl pflegte mit Karl Jaspers einen regen Austausch. Beiden lag die Vermittlung der Ehrfurcht vor dem Leben sehr am Herzen. „Die Ehrfurcht vor jedem einzelnen Menschen ist der Ursprung der Ehrfurcht vor mir selbst, die es nicht erträgt, etwas zu tun, zu fühlen, zu denken, weswegen ich mich verachten muss.“ (Karl Jaspers)
Beiden galt die Freiheit des Menschen als hohes Gut, doch niemals ohne Verantwortung und Jaspers hat dazu geschrieben: „Verantwortung ist immer konkret. Sie hat einen Namen, eine Adresse und eine Hausnummer.“
In einem ORF-Interview wurde Viktor Frankl auf einen Tango angesprochen, den er selbst komponiert hat. Darauf sagte er, er sei ein Multi-Dilettant. Er war wohl eher ein Multi-Talent, denn er konnte auch herrliche Karikaturen zeichnen. Zum Beispiel jene von der dritten Wiener Richtung der Psychotherapie. Sigmund Freud auf der ersten, Alfred Adler auf der zweiten und er selbst auf der dritten Stufe.
Was nur wenige wissen, er hatte einen besonderen Bezug zu Brillen und entwarf auch einige selbst.
„Wir müssen lernen und die verzweifelnden Menschen lehren, dass es eigentlich nie und nimmer darauf ankommt, was wir vom Leben noch zu erwarten haben, vielmehr lediglich darauf, was das Leben von uns erwartet!“ Dieses Zitat ist wohl eines der bekanntesten von Viktor E. Frankl. Wie oft erleben wir, dass wir an Vorstellungen hängen bleiben und manchmal an diesen verzweifeln. Trifft das Geplante und Erwartete nicht ein, ist man enttäuscht. In solchen Momenten könnte die Tatsache, dass wir vom Leben befragt sind, ganz besonders hilfreich sein, weil es uns aus der Sackgasse unseres Denkens führt.
Die Mariannengasse 1 im 9. Wiener Gemeindebezirk wurde gleich nach der Rückkehr aus den Konzentrationslagern das neue Zuhause von Viktor Frankl. Viktor und Elli haben zeitlebens dort gewohnt und Elli Frankl bis kurz vor ihrem 98. Geburtstag.
Viktor Frankls Arbeitsraum hat einen halbkreisförmigen Erker und hier hat er viele Gedanken und Ideen im wahrsten Sinn des Wortes zur Welt gebracht. Der Kommentar dazu von Viktor Frankl in seinem typischen Humor lautet: „Ich habe ihn (den Arbeitsraum) einmal, weil in ihm meine Bücher unter Wehen diktiert werden, in Anlehnung an das Wort Kreißsaal als „Halbkreißsaal“ bezeichnet.“
Wer dem Nihilismus huldigt, lehnt alles Wertvolle, wofür es sich zu leben lohnt, ab. Viktor Frankl erkannte, dass sich die Abwertung in der Formulierung des „nichts als“ äußert. Wie schnell sagt man, wenn sich jemand bei uns bedankt: „Das war ja nichts als. . . “ Die Sinnlehre von Viktor Frankl hilft uns beim Bewusstwerden. Das Bewusstsein, wie schnell wir oft „nichts als“ sagen, könnte uns daran erinnern, wie wertvoll auch Kleinigkeiten sind.
„Durch diesen Nihilismus, durch den Pessimismus und die Skepsis hindurch, haben wir uns zu einer neuen Menschlichkeit nunmehr durchzuringen.“ Wir alle können zu dieser Menschlichkeit beitragen, indem wir unsere Freude zeigen. Es gibt reichlich Grund zur Freude!
Der „tragische Optimismus“ von Viktor E. Frankl gilt für die schweren und keineswegs alltäglichen Belastungen im Leben. Vor dem Optimismus kommt die Tragik ins Spiel. Tragik kommt von Tragödie und zur Tragödie gehören Schicksalsschläge und Katastrophen, auf die man selbst keinen Einfluss hat. Bei Schicksalsschlägen wäre die Suche nach eigenen Anteilen unmenschlich. Diese Unterscheidung ist so wesentlich, denn sonst geschieht hier eine dramatische Verwechslung mit fatalen Auswirkungen für all jene, die das Schicksal beutelt.
Dennoch könnten für einige die Gedanken von Viktor Frankl ermutigend sein – jedoch nur dann, wenn man sich dies selbst sagt und nicht von anderen dazu aufgefordert wird.
„Irgendwie muss es eigentlich auch noch angesichts der tragischen Aspekte unseres Daseins die Möglichkeit geben, ‚to make the best oft it‘, wie es so schön im Englischen heißt, also das Beste daraus zu machen: ‚Das Beste‘ jedoch heißt auf lateinisch ‚Optimum‘, und jetzt verstehen Sie, wie ich auf den Ausdruck tragischer Optimismus gekommen bin.“ Diese Gedanken finden sich im Buch „Der leidende Mensch“. Wir alle bewundern Menschen, die schwere Zeiten erlebt und diese mit viel Mut und Tatkraft bewältigt haben. Das Beste aus dem eigenen Leben machen, das kann jede und jeder.“
Dem Begriff Person hat bei Viktor Frankl eine ganz besondere Bedeutung. Person kommt von personare und bedeutet so viel wie: durchtönen. Begegnen wir einem Menschen, dann spüren wir die Stimmung, die von ihm ausgeht. Wir nehmen war, ob er fröhlich gestimmt ist oder ob er an etwas leidet.
„Jede einzelne Person ist ein absolutes Novum. Mit jedem Menschen, der zur Welt kommt, wird ein absolutes Novum ins Sein gesetzt, zur Wirklichkeit gebracht, denn die geistige Existenz ist unübertragbar, ist nicht fortpflanzbar von den Eltern aufs Kind. Was allein fortpflanzbar ist, sind die Bausteine aber nicht der Baumeister.“
Es ist eine sehr lohnende Aufgabe, sich über diese Worte selbst Gedanken zu machen. Es ist eine Einladung zu eigenständigem Leben, ohne die Schuld für missglückte Rahmenbedingungen ständig im Elternhaus zu suchen.
Die Qualität unseres Lebens hängt in der Sinnlehre von Viktor Frankl vor allem mit der Fähigkeit zusammen Werte zu empfinden und nicht nur auf die eigene Befindlichkeit zu schauen. Im Bereich der Liebe bringt er das Dilemma auf den Punkt: „Denn wo die Qualität des Liebesglücks fehlt, muss dieser Mangel durch die Quantität des Sexualgenusses kompensiert werde; je weniger ein Mensch „beglückt“ wird, um so mehr muss sein Trieb „befriedigt“ werden.“
Je intensiver ein Mensch seine Triebe befriedigt um so geringer wird er die Lebensqualität empfinden. Dort wo es vorrangig um Lust geht, schwindet das Sinnerlebnis.
Viktor Frankl meint dazu: „Wollten wir wirklich in der bloßen Lust den ganzen Lebenssinn sehen, dann müsste das Leben letzten Endes sinnlos erscheinen. Wäre Lust wirklich der Sinn des Lebens, dann hätte das Leben keinen Sinn. Denn was ist Lust schließlich? Ein Zustand.“
Während andere Ärzte sich längst Sportarten wie Tennis, Golf und Reiten leisteten, blieben Viktor und Elli Frankl seiner Leidenschaft des Bergsteigens treu. Die Rax war sein bevorzugtes Klettergebiet und in einem Gespräch mit Reinhold Messner sagte er: „Beim wohlverstandenen Bergsteigen gibt es nur einen Rivalen und der ist man selbst. Ich begegne meinem inneren Schweinehund, der sich nicht zu klettern traut und frage mich: Muss ich mir von mir selbst alles gefallen lassen?“
Die Selbsttranszendenz ist ein abstraktes Wort und lässt sich am besten so erklären: „Verliere dich in dem, was du liebst. Und finde dich dort wieder.“ Von Kobi Yamada stammt diese treffende Beschreibung aus dem Buch „Das Glück in dir“. Ja, es stimmt, wir selbst tragen das Glück in Händen. Es geht dabei um das „Mehr als“. Es ist das Engagement für eine gute Sache, das Aufgehen in einer Idee, die mich größer macht, ohne mir selbst eine Krone aufzusetzen. Dieses Empfinden ist Effekt und nicht direkt anzustreben. Es ist das Leben selbst, das mich beschenkt, wenn ich dem folge, was für mich wertvoll ist.
Es ist das Eintauchen der ganzen Persönlichkeit in einer Aufgabe, einem Wert, der mich so anzieht, dass ich mich selbst vergesse.
Viktor Frankl hat immer wieder die Auseinandersetzung mit den großen Philosophen seiner Zeit gesucht. Max Scheler hat ihn wesentlich inspiriert: „Vieles, was uns an Gefühlen vermittelt wird, hat nichts mit dem zu tun, das Scheler als intentionales Gefühl bezeichnet. Da fehlen die Tiefe und die Echtheit des Empfindens. Der Gefühlszustand: ‚Ich möchte mich nicht blamieren‘, kann so stark werden, dass das subjektive und echte Empfinden keinen Raum hat.“
Auch das Bild vom Leuchtturm hat Viktor Frankl von Max Scheler übernommen: „Scheler sagte einmal, man müsse das so machen wie der Schiffer, der hinaussegelt aus dem Hafen. Er orientiert sich am Leuchtturm. Er muss immer wieder zurückschauen nach dem Leuchtturm um zu wissen, ob er auf dem rechten Kurs ist. Und genauso geht es uns. Wenn wir zurückschauen und feststellen oder darauf aufmerksam gemacht werden, dass jemand, den wir anerkennen, so etwas Ähnliches gesagt hat, dann können wir froh sein.“
Mit der „Tragischen Trias“ bringt Viktor Frankl das Realitätsbewusstsein ins Spiel mit dem Sinn. Zur tragischen Trias gehören: Schuld, Leid und Tod. Jeder Mensch wird irgendwann in seinem Leben schuldig und andere an ihm. Auf persönliche Weise erfährt jeder Mensch leidvolle Stunden und diese gehören ebenso zum Leben, wie Freude und Fröhlichkeit. Die meisten haben den Tod eines lieben Menschen erlebt und den eigenen haben wir noch vor uns.
„Die scheinbar negativen Seiten der menschlichen Existenz, insbesondere jene tragische Trias, zu der sich Leid, Schuld und Tod zusammenfügen, können auch in etwas Positives, in eine Leistung gestaltet werden, wenn ihnen nur mit der rechten Haltung und Einstellung begegnet wird.“ Gewiss ist dieser Gedanke von Viktor Frankl ein große Herausforderung und ein hoher Anspruch.
Die Unterscheidungsfähigkeit gehört wohl zu den wichtigsten Eigenschaften im Leben, wenn man nicht alles glauben will, was einem vorgegaukelt wird. Man braucht Zeit, gesunden Menschenverstand und innere Unabhängigkeit, um zu verstehen, was wirklich vor sich geht. Sonst nimmt man alles für bare Münze.
Für Viktor Frankl war die Unterscheidungsfähigkeit unerlässlich: „Wollen wir nicht in der Flut all dieser Reize untergehen, dann müssen wir unterscheiden lernen, was wesentlich ist und was nicht, was Sinn hat und was nicht, was sich verantworten lässt und was nicht.“
Dies gilt auch für das Wahrnehmen von Menschen. Viele vermeiden eine eigene Meinung zu haben, um andere nicht zu verletzen. Doch das Nichtäußern ist fast ebenso verhängnisvoll wie eine Überzeugung, die jemand ohne jeden Zweifel vertritt. Viktor Frankl hat sich auch darüber Gedanken gemacht: „Es ist viel einfacher und leichter, zwischen Engeln und Teufeln zu unterscheiden, als sich der Mühe zu unterziehen, jedem einzelnen Menschen gerecht zu werden.“
„Die Furcht bangt davor, was in der Zukunft verborgen ist; aber der Trost weiß darum, was in der Vergangenheit geborgen ist.“ Dieser Gedanke von Viktor Frankl steht in völligem Gegensatz zu unserem derzeitigen Zeitgeist. Dieser besagt, dass man Ziele definieren soll, welche man zukünftig erreichen will.
Viktor Frankl sieht dies völlig anders:
„Für gewöhnlich sieht der Mensch nur das Stoppelfeld der Vergänglichkeit; was er übersieht, sind die vollen Scheunen der Vergangenheit. Im Vergangensein ist nämlich nichts unwiederbringlich verloren, vielmehr alles unverlierbar geborgen. Nichts lässt sich aus der Welt schaffen, was einmal geschehen ist; kommt nicht alles nur um so mehr darauf an, dass es in die Welt geschaffen wird?“
Bemerkenswert an der Sinnlehre von Viktor Frankl ist seine Offenheit anderen therapeutischen Richtungen gegenüber. Für ihn gab es niemals nur eine Wahrheit: „Solange uns eine absolute Wahrheit nicht zugänglich ist, müssen wir uns damit begnügen, dass die relativen Wahrheiten einander korrigieren, und auch den Mut zur Einseitigkeit aufbringen, nämlich zu einer Einseitigkeit, die sich ihrer selbst bewusst ist.“
Frankl selbst hat nie darauf bestanden, nur eine Antwort zu kennen und diese Erkenntnis findet man in einigen seiner Bücher: „Die Logotherapie ist keine universelle Antwort und kein Heilmittel. Es gibt überhaupt keine universellen Allheilmittel . . . denn jeder menschliche Versuch, der Wahrheit auf medizinischem oder psychiatrischem Weg teilhaftig zu werden, ist dazu verurteilt, unvollständig zu bleiben und durch andere Annäherungsweisen ergänzt werden zu müssen.“
Und im Gespräch mit Pinchas Lapide sagte er: „Ich würde da einmal von Wahrheitchen sprechen oder Wahrheitskörnern, wenn Sie wollen, aber sobald einer Wahrheit mit dem bestimmten Artikel die besetzt, läuft er Gefahr arrogant zu werden oder in einen unmenschlichen Absolutismus zu verfallen, der uns relativen Menschenkindern nicht zusteht.“
Vermutlich gibt es keine Aussage von Viktor Frankl, die mehr Diskussionen ausgelöst hat als seine Unterscheidung von den anständigen und unanständigen Menschen. Anlass war die berühmte Rathausrede im März 1988 zum Bedenkjahr 1938, dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland. „Es gibt nur zwei Rassen von Menschen, die Anständigen und die Unanständigen.“
Immer wieder löst diese Aussage Unbehagen aus. Sich selbst über diese Feststellung Gedanken zu machen, lohnt sich. Vielleicht entdecken dann doch einige Menschen, dass es realistischer ist, jemanden als unanständig zu bezeichnen, als ständig nach irgendwelchen Gründen zu suchen, warum sich ein Mensch unanständig verhält.
Viktor Frankl war mehr als achtzig Mal in den USA und ist sein Buch „…trotzdem Ja zum Leben sagen“, landet noch immer auf den amerikanischen Bestsellerlisten. Er hat sich jedoch nicht nur Freunde gemacht, als daraufhingewiesen hat, dass Amerika zur Freiheitsstatue an der Ostküste, eine Statue der Verantwortlichkeit auf der Westküste benötigen würde.
„Mag sein, dass die Logotherapie dem Amerika des nächsten Jahrhunderts mehr zu sagen haben wird, als sie dem Amerika dieses Jahrhunderts bereits gegeben hat.“ Diese Aussage von Jerry Mandel von der United States International University ist eine Einladung, die Welt der Logotherapie näher kennenzulernen, denn er hat völlig recht.
„Herrlich ist es zu wissen, dass die Zukunft, meine eigene Zukunft und mit ihr die Zukunft der Dinge, der Menschen um mich, irgendwie – wenn auch in noch so geringem Maße – abhängig ist von meiner Entscheidung in jedem Augenblick. Was ich durch sie verwirkliche ‚in die Welt schaffe‘, das rette ich in die Wirklichkeit hinein und bewahre es so vor der Vergänglichkeit.“