Meiner Intuition vertrauen
Diese Monatsgedanken hat Inge Patsch geschrieben.
Intuition ist eine Lebenskraft, die dort ihre Kräfte entfalten kann, wo ich aufhöre einem genauen Plan zu folgen und jedes Detail bestimmen zu wollen. Intuition bedeutet, ich lasse mich vom Leben, von mir selbst und meinen Ideen überraschen. Intuition verlangt nach geistiger und seelischer Offenheit, um vertrauensvoll fröhliche und weniger fröhliche Zeiten zu gestalten. Intuition verlangt auch, dem Verstand hie und da einige Stunden Urlaub zu gönnen.
Inspiration kommt im Unterschied zur Intuition nicht von innen, sondern von außen. So wie dieser Gedanke von Viktor E. Frankl:
um etwas absolut Individuelles.
Begegnung ist nicht rational erkennbar,
sondern eben nur intuitiv erfassbar.
Lesen wir Gedanken von anderen, geht es weniger darum zu ergründen, was die Schreibenden gemeint haben. Gedanken von anderen können in uns wirken wie ein Sonnenstrahl oder wie ein Schneesturm. Es ist völlig unrealistisch, zu meinen, dass Gedanken, die ich selbst als Sonnenstrahlen wahrnehme, auch für andere Sonnenstrahlen sind. Vielleicht existiert der Sommer nur in mir um bei meinem Gegenüber herrscht Winter. In diesem Fall kann ich mich noch so bemühen, freundlich zu sein, ich werde es nicht schaffen, die Wetterlage des anderen zu ändern.
Ich brauche mich nur selbst zu fragen: Was brauche ich, um mich berühren oder begeistern zu lassen? Zuerst brauche ich Zeit. Um mich berühren zu lassen und die Berührung wahrzunehmen, sollte ich auch Interesse mitbringen. Eine gewisse Offenheit für das, was ich noch nicht kenne.
Algorithmen kennen keine Offenheit. Sie beliefern uns ständig mit ähnlichen Informationen, die wir bereits kennen. So kann es geschehen, dass ich zu etwas Neuem zu schnell Nein sage. Passen neue Ideen so gar nicht zu meinem gewohnten Denken, werde ich mich schwer tun, mich berühren zu lassen.
Unserer Intuition mehr Aufmerksamkeit und Mitspracherecht zu schenken, könnte uns vor Überforderung schützen und uns befreien.
Doch dazu sollte ich meinem Verstand ein bisschen Ruhe gönnen und mich von jenen Erwartungen verabschieden, die ich für mich als Ziel definiert habe.
Statt Intuition könnten wir unterschiedliche Begriffe verwenden: das Leben in mir, die leise innere Stimme, mein Gewissen . . .
Die Intuition hat eine besondere Eigenschaft: sie ist leise und drängt sich nicht auf und sie hat wenig mit Lust oder Unlust zu tun. Um diese intuitive Stimme in uns wahrnehmen zu können, sollten wir unterscheiden lernen: was ist in der Gesellschaft wichtig und was ist im Leben wesentlich.
Das Leben selbst ist die Zeitspanne, die wir hier auf der Erde verbringen. Das Leben selbst bleibt ein Geheimnis und daher ist auch unsere Intuition ein Geheimnis und daher weder beweisbar noch begründbar.
Albert Einstein brachte es auf den Punkt:
Der intuitive Geist ist ein heiliges Geschenk und der rationale Verstand ist ein treuer Diener.
Um der persönlichen Intuition zu vertrauen, brauchen wir in unserer Gesellschaft zumindest einige Funken von jener Weisheit, die keine Modeerscheinung ist. Wir sollten uns die Lehren der großen Geister zu Herzen nehmen und versuchen, sie zu integrieren. Vermutlich tun wir uns dann leichter, die Stimme der Intuition wieder wahrzunehmen.
Den entscheidenden Unterschied zwischen Information und Intuition sollten wir auch bedenken. Informiert werden wir ständig oder wir informieren uns beim Lesen der Meldungen oder beim Hören der Nachrichten. Ist die Recherche glaubwürdig, dann liegen am Grund einer Information Fakten.
Intuition ist anders: Für unsere leise innere Stimme gibt es keine Fakten und keine Beweise. Nur ein kaum spürbares Unbehagen. Diesem Unbehagen vertrauen lernen, lohnt sich!
eine Stimme nämlich,
welche jedes Mal, wenn sie sich hören lässt,
mir von etwas abredet, was ich tun soll,
zugeredet aber hat sie mir nie.
Zum weisen Sokrates kam einer gelaufen und sagte:
„Höre Sokrates, das muss ich dir erzählen!“
„Halte ein!“ – unterbrach ihn der Weise, „Hast du das, was du mir sagen willst, durch die drei Siebe gesiebt?“
„Drei Siebe?“, frage der andere voller Verwunderung.
„Ja guter Freund! Lass sehen, ob das, was du mir sagen willst, durch die drei Siebe hindurchgeht: Das erste ist die Wahrheit. Hast du alles, was du mir erzählen willst, geprüft, ob es wahr ist?“
„Nein, ich hörte es erzählen und…“
„So, so! Aber sicher hast du es im zweiten Sieb geprüft. Es ist das Sieb der Güte. Ist das, was du mir erzählen willst gut?“
Zögernd sagte der andere: „Nein, im Gegenteil…“
„Hm…“, unterbracht ihn der Weise, „So lass uns auch das dritte Sieb noch anwenden. Ist es notwendig, dass du mir das erzählst?“
„Notwendig nun gerade nicht…“
„Also“ sagte lächelnd der Weise, „wenn es weder wahr noch gut noch notwendig ist, so lass es begraben sein und belaste dich und mich nicht damit.“
Diese Geschichte von Sokrates könnte uns inspirieren und daran erinnern, etwas behutsamer zu werden, wenn wir Dinge weitererzählen, die wir „nur von jemandem“ gehört haben.