Monatsgedanken

Jänner 2024

Diese Monatsgedanken hat Inge Patsch geschrieben.


Glaube, Liebe und Hoffnung lassen sich nicht manipulieren und fabrizieren.
Niemand kann sie befehlen. Selbst dem Zugriff des eigenen Willens entziehen sie sich.
Ich kann nicht glauben wollen.
Ich kann nicht lieben wollen.
Ich kann nicht hoffen wollen
und vor allem kann ich nicht wollen wollen.

Viktor E. Frankl, Ärztliche Seelsorge


Als ich vor vielen Jahren in meiner Ausbildung für Logotherapie und Existenzanalyse diesen Gedanken von Viktor E. Frankl zum ersten Mal gehört habe, hat er in mir eine große Erleichterung und Befreiung bewirkt. Viele Male hatte ich gehört, ich bräuchte nur zu wollen. Ebenso klar war mir, dass dieser Gedanke keine Einladung zur Bequemlichkeit darstellt oder eine Ausrede, dass man sich auf nichts einlassen soll, um nicht enttäuscht zu werden.
Ich spürte in diesen Gedanken das volle Zutrauen in mein Empfinden und in mich. Da traut mir jemand zu, dass ich selbst entdecken kann woran ich glaube, selbst wahrnehme wen oder was ich liebe und mich inspirieren lasse worauf ich hoffen kann.

Was haben diese Gedanken mit dem Beginn des Neuen Jahres zu tun?



Ja, jede und jeder braucht Mut und dieser wächst und gedeiht, wenn man auf die eigene Vergangenheit blickt. Wer die vollen Scheunen des eigenen Lebens betrachtet, wird entdecken, dass er auf wesentlich mehr stolz sein und sich freuen kann, als er im Moment meint. Der Optimierungswahnsinn unserer Gesellschaft will uns einreden, dass es nie genug sei und man immer noch besser werden könnte. Die Gesellschaft hat dabei in erster Linie die gemessene Leistung und den finanziellen Erfolg im Blick. Dabei wird häufig auf jene Menschlichkeit vergessen, für die es – laut Viktor E. Frankl – keine Programme braucht.

Im Korintherbrief steht: „Wir tragen unseren Schatz in zerbrechlichen Gefäßen.“

Mit diesem Schatz ist seelischer Reichtum und geistige Inspiration gemeint und dieser Schatz ist zerbrechlich. Das spüren wir in dem Moment, in dem uns ein Unglück überfällt.

Nelson Mandela schreibt in seinem Buch „Bekenntnisse“: „Tausendmal ist gesagt worden, es sei nicht so wichtig, was einer Person widerfahre, es komme eher darauf an, wie sie damit umgehe. Es mag töricht klingen, wenn ich dich mit einem Gedanken behellige, der nur allzu gut bekannt ist. Doch immer, wenn ich wieder einmal das Opfer irgendeines Unglücksfalls bin, vergesse ich genau diese einfachen Dinge, und deshalb bricht die Hölle über mich herein.

Wir alle haben diese Unglücksfälle erlebt und manchmal knabbern wir schwer und lange daran. Dann ist unsere Menschlichkeit gefragt und jene anstrengende Arbeit, an der eigenen Einstellung. Dabei geht es nicht darum für alles Verständnis zu haben, sondern um genau hinzuschauen, wie ist meine innere Haltung. Als Einstellungswerte bezeichnen wir diese Haltung in der Logotherapie und sie prägt unsere Gewohnheiten, im Guten und weniger Guten.

Die Tapferkeit ist die Einstellung, die uns daran hindert, aufzugeben. Tapferkeit ist vielleicht ein altmodisches Wort und heute würden wir sagen Frustrationstoleranz.

Manchmal bedeutet dies zu sich zu stehen und zu jenen Werten, für die es sich zu leben lohnt.



Für die Stärkung der eigenen Seelenkräfte kann jede und jeder selbst etwas beitragen. Dabei geht es weniger um konkrete Vorsätze, sondern um eine Charaktereigenschaft.

Hier ist eine kleine Auswahl. Spricht Sie etwas an? Vielleicht finden Sie eine Eigenschaft, zu der Sie Ja sagen können: DAS will ich beleben, weil ich es will und nicht weil es jemand vorschreibt.

Absichtslos sein: Absichtslos bedeutet sehr wohl interessiert zu sein, jedoch nicht an Erwartungen gebunden zu sein, wie sich Dinge entwickeln müssten, um gut, sinnvoll und hilfreich zu sein.
Authentisch sein: Authentische oder echte Menschen kennen ihr „Maß“ und lassen sich nicht vom Zeitgeist stilisieren. Sie haben ein großes Herz und den Mut, Dinge anzusprechen, die nicht allen gefallen.
Begeistert sein: Begeisterung ist der unverkennbare Beweis, dass ein Mensch ins Leben verliebt ist. Der Mensch begeistert sich FÜR etwas und dabei zählt nicht sein Ego, sondern das Andere, dem die Aufmerksamkeit gilt.
Dankbar sein: Dankbar sein für das, was nicht in unserem Einflussbereich liegt. Sich der Möglichkeiten bewusst werden, die das Leben bietet und anderen zeigen, wie froh man ist, dass sie da sind.
Fair sein: Faire Menschen haben einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Sie suchen nicht ständig ihren persönlichen Vorteil und geben auch jenen eine Chance, die aus dem Rahmen fallen.
Großherzig sein: Großherzige Menschen geben, weil es sie freut. Die Großherzigkeit schuldet der Vorsicht keine Rechenschaft über ihre Beweggründe.
Humorvoll sein: Humorvolle Menschen setzen den Augenblick an die richtige Stelle. Sie wissen, dass nichts bleibt wie es war. Humorvolle Menschen können auch über sich selbst lachen.




Für die persönliche Seelenlandschaft lohnt es sich immer wieder, Original-Texte von Viktor E. Frankl zu lesen. Wir brauchen die Texte von Menschen, die uns etwas zu sagen haben. Wir brauchen die Bereitschaft, uns auf diese Gedanken einzulassen und nicht zu schnell ein Argument zu finden, warum das nichts für mich ist.

Hier sind noch eine Eigenschaften, mit denen man sich zwar nicht beliebt macht, aber sehr befreit leben kann.

Klarheit: Menschen, denen Klarheit am Herzen liegt sind realitätsbezogen und stehen zu den Werten, die ihnen am Herzen liegen. Sie können ihre Meinung aussprechen, auch wenn andere diese nicht teilen.
Selbstachtung: Menschen, die sich selbst achten sind in der Lage, ihre Gefühle und ihr Verhalten in einem größeren Zusammenhand zu sehen. Sie brauchen bei Enttäuschungen nicht ständig jemanden, dem sie von dem Ereignis erzählten, das sie verletzt hat.
Sinn für das Schöne: Menschen mit dieser Stärke nehmen Dinge bewusst wahr und können sich darüber freuen. Sie zeigen ein ausgeprägtes Interesse an schönen Dingen in verschiedenen Lebensbereichen (z.B. Freundschaft, Natur, Musik, Literatur, Kunst, Wissenschaft und vor allem in alltäglichen Erfahrungen).
Vertrauen: Wer trotz aller Enttäuschungen fähig ist zu vertrauen, wird sich und anderen zum Segen. Menschen, die vertrauen können, wagen sich auch an Dinge, vor denen sie großen Respekt haben.
Zufriedenheit: Zufriedene Menschen wissen, dass sie nicht alles um jeden Preis erreichen müssen. Zufriedenheit bedeutet jedoch nicht, das Unerträgliche zu ertragen. Zufriedenheit wird nicht von den Rahmenbedingungen gefüttert, zufrieden ist ein Mensch, der mit sich im Reinen ist.


Selbstverständlich gibt es noch wesentlich mehr Eigenschaften, die belebt werden wollen. Diese sind als Anregung gedacht und zur Inspiration. Sie finden sicher eine, die besonders gut zu Ihnen passt.



Eine Erinnerungshilfe für die Eigenschaft, die Sie beleben wollen.

Der Unterschied zwischen der Sehnsucht, eine Eigenschaft zu beleben und einem konkreten Vorsatz ist wesentlich. Während der Vorsatz das Ziel im Blick hat und dieses fixiert – was meistens scheitert – birgt das Beleben einer Eigenschaft während des Jahres eine Fülle von Überraschungen.

Das Leben ist treu, wer sich einem bestimmten Thema widmet, wird vom Leben beschenkt. Da der Alltag eine Art automatischer Radiergummi für all das ist, was uns am Herzen liegt, brauchen wir Erinnerungshilfen, die wir sehen. Schreiben Sie Ihre gewählte Eigenschaft auf ein A4-Blatt und hängen Sie dieses an einen Platz, wo sie es sehen. Suchen Sie sich ein Zitat, das Ihre Eigenschaft stärkt.

Verschiebe die Dankbarkeit nie! Bezeuge sie an dem Tag, an dem du sie empfindest.
Der Humor ist Kraftnahrung für die Seele.
Ohne Klarheit in der Sprache ist der Mensch nur ein Gartenzwerg.


Ich selbst pflege diese Art, Eigenschaften zu beleben seit vielen Jahren und es kann zu einem richtigen Vergnügen werden, sofern man nicht meint, fehlerlos zu sein.


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