Monatsgedanken

Februar 2023

Vor fünfzig Jahren hat es sicher wesentlich weniger Ratgeber gegeben. Nicht für jede klitzekleine Lebensfrage hatte das Internet eine Antwort, denn das World-wide-web gab es damals noch nicht. Ob die Menschen sich früher mehr vertraut haben, das wissen wir  nicht. Doch wir sind überzeugt, dass Menschen, die heute leben, ihrer Intuition und ihrem Empfinden mehr Bedeutung schenken könnten. Dazu brauchen wir Zeit. In den Sternstunden der Philosophie spricht Barbara Bleisch mit Teresa Bücker und Hartmut Rosa darüber.


Viel zu oft wird das Ergebnis in den Mittelpunkt gestellt und beeinträchtigt unsere Sichtweise. Anstatt durch sinnvolle Anregungen gestärkt zu werden, sind immer mehr Menschen verunsichert, ob es wohl richtig ist, was sie tun.


Anstatt Empfindungen und Gefühle als Merkmal unseres Menschseins anzuerken­nen, empfehlen moderne Ratgeber ein Ranking der Gefühle in gut und schlecht. Dabei führt die Bewertung von Gefühlen in eine Abwertung aller Empfindungen, die unbehaglich oder belastend sind.

Die Wut hat Mahatma Gandhi mit dem Treibstoff für das Auto verglichen. „Wut ist für einen Menschen wie Benzin für ein Auto – sie treibt einen an, damit man weiterkommt, an einen besseren Ort. Ohne sie hätte man keinerlei Motivation, sich einem Problem zu stellen. Wut ist die Energie, die uns zwingt, zu definieren, was gerecht ist und was nicht.“


Kaum geht es einem lieben Mitmenschen nicht so gut, wird er mit Ideen zum Handeln überschüttet, was er tun sollte, dass es ihm wieder besser geht. Dabei wäre das Einfachste, den Mut zu haben, dem eigenen Empfinden Zeit zum Mitfühlen zu schenken. Setzen wir dann unseren Verstand ein, könnten wir die Erfahrung machen, dass die passiven Fähigkeiten gefragt sind. Die Geduld, die Gelassenheit, die Langsamkeit und das Vertrauen ins Leben selbst.

Aus dem Umstand, dass man selbst eine Erkrankung erlebt hat oder einen lieben Menschen beerdigt hat, folgt nicht, dass man für sämtliche Erfahrungen von Menschen im Modus des „Ich bin auch dort gewesen“ gerüstet wäre. Prinzipiell kann niemand wissen, wie es für eine bestimmte Person unter bestimmten Umständen ist, eine Erfahrung zu machen, die belastend ist.

Fragen zu stellen, die zum Mitfühlen führen sind ebenso wesentlich wie die Erkenntnis von Albert Schweitzer und seine Sicht über die Ehrfurcht vor dem Leben: „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das Leben will.“

Vielleicht denken wir demnächst alle hin und wieder daran, dass nicht nur wir selbst leben wollen, sondern andere auch.



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