Barbara Schmidhofer hat diesen Text geschrieben und wir danken ihr herzlich für die Beschreibung von Tagen, die jede und jeder kennt.
Es war wieder einmal einer dieser typischen, wie sie Ernst Jandl bezeichnet hat: „Scheißentage“.
Ich hatte es satt, diese Fragen des Lebens. Nein, satt war nicht der richtige Ausdruck – ich hatte die Schnauze voll – randvoll! Ich konnte sie einfach nicht mehr ertragen, diese Fragen des Lebens und vom Wollen war schon überhaupt keine Rede!
Warum fragte es jetzt schon wieder? War ich doch noch nicht einmal mit den Antworten der ersten Fragen fertig! Es glich ja beinahe einer Akkordarbeit. Frage des Lebens: Antwort. Frage des Lebens: Antwort. Wie sollte man da noch die Antworten finden? War das wirklich notwendig?
Wie gesagt, es war einer dieser Scheißentage und ich zerfloss in Selbstmitleid, erlag schier meiner depressiven Verstimmung, war wütend auf Gott und die Welt, betrauerte mich und mein Dasein unendlich und konnte mich schlussendlich selbst nicht mehr ausstehen.
Dabei meinte es das Leben weder schlecht noch gut mit mir. Es stellte mir die Fragen, ohne Absicht, ohne Hinterhalt, ohne Berechnung. Das Leben war da, ist da und wird auch nach mir noch da sein und es wird uns Menschen immer wieder Fragen stellen, auf die wir zu antworten haben. So war es, so ist es und so wird es immer sein.
Das Leben stellt uns Fragen und wir antworten und darin liegt auch unsere Freiheit, unsere Individualität, unsere Einzigartigkeit. Ich entscheide, wie ich auf die Lebensfragen antworte. Dann tut es gut, sich einmal neben sich selbst zu stellen und den Blickwinkel zu ändern. Und siehe da, es gibt so viele Möglichkeiten, die man zuerst nicht gesehen hat.
Viktor Frankl bezeichnet dies als Selbstdistanzierung. Ich stelle mich nicht nur meinen Gedanken in den Weg, ich unterbreche auch die Hyperreflexion (das bedeutet, dass ich mich nur mehr um mich selbst drehe und bemitleide). In der Hyperreflexion bin ich durch die übermäßige Beschäftigung mit mir selbst auch nicht mehr handlungsfähig und habe nur mehr eine eingeschränkte Sichtweise.
Die Veränderung des Blickwinkels tut mir gut. Sie ändert nichts am „Scheißentag“ – er darf sein. Doch die Wut hat sich gelegt, die Tränen der Traurigkeit sind versiegt, das Selbstmitleid pendelt sich ein und zum Schluss gelingt mir wieder ein Lächeln. Es ist wie der Blick durch eine andere Brille.
Plötzlich erkenne ich, wie viel Gutes mir gleichzeitig widerfahren ist, während ich mich in der Schwere im eigenen Mitleidssumpf gesuhlt habe. Mich überkommt eine tiefe Dankbarkeit. Ich erkenne, dass ich auch in schlimmen Zeiten, in denen ich dachte, alles hätte sich gegen mich gewendet, so viel Gutes geschenkt bekomme.