Religiöses Erleben stellt eine besondere menschliche Fähigkeit dar und ist nicht an eine bestimmte kirchliche Tradition gebunden.
Ist es denn wirklich so wichtig, ob die „letzte Einsamkeit“ eine bloße Schein-Einsamkeit ist oder nicht?
Ist nicht vielmehr das einzig Wichtige, dass sie die „letzte Ehrlichkeit“ hervorbringt?
Und sollte es Gott geben, so bin ich sowieso überzeugt, dass er es nicht weiter übel nimmt, wenn ihn jemand mit seinem Sein verwechselt.
Viktor E. Frankl, Der unbewusste Gott
Diese Gedanken stammen aus einem Seminar von Günter Funke aus dem Jahr 1998. Das Seminar wurde auf Audio-Kassetten auf- genommen und anschließend transkribiert. Die Art, wie Günter an dieses menschliche und streitbare Thema tiefgründig herangeht, inspiriert und bewegt bis heute. Es regt mich zum Nachdenken an und bietet eine Grundlage für gute Gespräche. Bei diesem Text handelt es sich um ein gesprochenes Wort und ich bitte um Nachsicht für grammatische Fehler und Günters eigene Art zu formulieren.
Inge Patsch
„Gott ist der Partner unserer intimsten Selbstgespräche.
Wann immer wir ganz allein sind mit uns selbst,
wann immer wir in letzter Ehrlichkeit Zwiesprache halten
mit uns selbst, ist es legitim, den Partner solcher Selbstgespräche Gott zu nennen – ungeachtet dessen,
ob wir uns nun für atheistisch oder gläubig halten.“
Viktor E. Frankl, Der unbewusste Gott
Man kann auch nicht über Gott reden, allenfalls kann man zu ihm reden. Wie will man von Gott reden, wenn man von ihm nicht reden kann und doch von ihm reden soll? Diese Erkenntnis führt in die Bescheidenheit. Wenn es stimmt, dass alle unsere Aussagen über Gott, menschliche Aussagen sind, dann wäre jede Aussage, die wir über Gott machen, nur dann echt, wenn wir gleichzeitig über sie lachen könnten. Wenn fromme Menschen, TheologInnen oder ReligionspädagogInnen über ihre eigenen Gottesbilder nicht mehr lachen können, haben sie aus Gott einen Götzen gemacht.
Wesentlich wäre, dass Bescheidenheit zur Haltung wird, dass spürbar wird, dass jedes Reden von Gott an eine Grenze kommt. Wo ist diese Grenze? Wir kommen an diese Grenze, wo unser Gegenüber nicht von der Logik kommt, sondern von einem innigen Empfinden. Heilend ist ein Gottesbild meist nur dann, wenn diese Gottesbegegnung herausgenommen werden kann aus dem bisher gewohnten Kontext der religiösen Sozialisation. Viktor Frankl hat von einer personalisierten Religiosität gesprochen.
Günter Funke
vielmehr auf eine personale –
Eine zutiefst personalisierte Religiosität,
eine Religiosität, aus der heraus jeder zu seiner persönlichen, seiner eigenen, seiner ureigensten Sprache finden wird, wenn er sich an Gott wendet. …
Zugegeben, diese unsere Auffassung von Religion hat nur noch herzlich wenig mit konfessioneller Engstirnigkeit und deren Folge religiöser Kurzsichtigkeit zu tun,
die in Gott anscheinend ein Wesen sieht,
das im Grunde nur auf eines aus ist, und das ist:
dass eine möglichst große Zahl von Leuten an ihn glaubt, und überdies noch genau so, wie eine ganz bestimmte Konfession es vorschreibt.“
Religiöse Erziehung bedeutet, Menschen zur Stellungnahme zu ermutigen. Heilende Gottesbilder, gelungene Gottesbeziehungen sind Ermutigungen zur Stellungnahme, zur Eigenständigkeit oder zur Eigensinnigkeit. Jeder Mensch muss seinen eigenen Sinn finden. Niemand nimmt einem diese Suche ab. Auch Gott nicht, der mutet uns diese Suche zu. So gesehen ist ein Christ ein eigenSINNiger Mensch.
Heilend ist das, was uns zu Menschen macht und nicht das, was uns überfordert. Heilend ist das, was mich in Beziehung bringt zu anderen und zu anderem. Die Frage, was ein heilendes und was ist ein krankmachendes Gottesbild ist, können wir nicht im Sinne von schwarz-weiß Malerei beantworten. Heilend würde ich sagen, ist das, was mich befähigt mein Leben lebendig zu gestalten. Heilend ist das, was ermutigt, unvollkommen zu sein.
Günter Funke
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Heilende und krankmachende Gottesbilder Teil 1
Heilende und krankmachende Gottesbilder Teil 2