Monatsgedanken

Oktober 2024


Im September haben ungeheure Regenfälle einige Gebiete in Österreich, in Polen und in Tschechien in Flusslandschaften verwandelt. Das Tragische, welches Menschen aufgrund des Hochwassers ertragen und nun bewältigen müssen, ist kaum vorstellbar. Wir erleben besonders in Krisenzeiten die Brüchigkeit und die Grenzen menschlicher Machbarkeit. Ja, die meisten machen diese Bilder betroffen und das meiste, was betroffen macht, macht Angst. Einige, welche sich dieses ängstliche Unbehagen nicht zumuten, reden bereits wieder davon, was man tun hätte können, um diese Katastrophe zu vermeiden. Naturkatastrophen sind nicht vermeidbar und menschliches Leid lässt sich nicht auf Dauer verbannen.

Doch wir können nachdenken und versuchen das Unbehagen zu ergründen und gemeinsam zu einem Verständnis finden.

Das positive und beschwerdefreie Leben wurde in den letzten Jahrzehnten rigoros überbewertet. Nun sind die Spielräume für das sorgenfreie Leben für einige kleiner geworden. Nicht die Zeit hat sich verändert, sondern die Gesellschaft, in der wir leben. Eine Zeile aus einem Gedicht von Erich Kästner über die Zeit beschreibt es treffend:
„Ich bin die Zeit, die schleicht und eilt, die Wunden schlägt und Wunden heilt.“


Wie gehen wir mit den Wunden des Unbehagens und der Unsicherheit um?
Unsicherheit ist eine Zumutung, die sich nicht so schnell vertreiben lässst. Zumutung hat meistens mit Dingen zu tun, die wir nicht ändern können.
Uns bleibt die Chance innezuhalten, nachzudenken und gemeinsam Wege zu finden, die wir bisher noch nicht kennen.

Er ist so selbstverständlich unser Lebensstil
er sagt: wir sind zu schnell es ist zu viel
was in der Fülle auf uns lauert.
Wo finden wir, was wärmt und dauert?

Bei Viktor Frankl gibt es keine Orthodoxie – keine bedingungslose Dogmatik – keine formelhafte Sprache, sondern Schönheit und Weite. In dieser Weite mutet uns dieser Arzt und Philosoph die „Fürchterlichkeit des Lebens“ zu, wie Rilke dies nennt, und den Frankl auch in seinem „tragischen Optimismus“ zitiert.

Von Werten und Sinn inspiriert zu werden ist eine Seite, welche diese menschliche Lehre in uns bewirken kann.  Die Logotherapie auch umzusetzen, „wenn’s dir in Kopf und Herzen schwirrt“, ist die schwierige und manchmal schwere Herausforderung, die es nicht für das Kleingeld der einfachen Rezepte gibt. Dazu muss man eintauchen in die Gedankenwelt von Viktor Frankl und man tut gut daran, nicht zu vergessen, dass niemand von uns eine Ahnung hat, welche Fürchterlichkeit des Lebens dieser Mann ertragen hat, ohne zu verbittern.


Viktor Frankl schrieb nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs: „Wir brauchen keine neuen Programme, sondern eine neue Menschlichkeit.“ Dieser Gedanke eignet sich ebenso wenig – wie vieles andere von Viktor Frankl – zu einem billigen Ratgeber mit Versprechensgarantie auf ein gelungenes und erfülltes Leben.

Viele Menschen haben diverse Parolen befolgt und einiges ist auch gelungen. Doch der Fluch des jahrzehntelangen Befolgens von zielfixierten Programmen haben aus zu vielen funktionierende Zweibeiner gemacht. Viele von ihnen erleben jetzt die späte Rache der Wirkungslosigkeit diverser Coaches im Bereich der Psychologie.

Das Entdecken von Möglichkeiten hängt nicht nur von der Einmaligkeit jedes Menschen ab, sondern auch von der Einzigartigkeit der Situation. Zur Einmaligkeit gehören nicht nur die Familie und der Kulturkreis, in den man hineingeboren oder geworfen wurde, wie Martin Heidegger dies nennt, sondern wesentlich die Fähigkeit Lebenserfahrungen als solche zu erkennen. Schwierig wird es dort, wo ein Mensch in seinen Erwartungen und seinen Zielvorstellungen stecken bleibt. Der Blick auf die Realität bewahrt manchmal vor größeren Enttäuschungen.

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