Ich zuversichte
Diese Monatsgedanken hat Inge Patsch geschrieben.
Es war auf einem Spaziergang im November, ein nasskalter, nebliger Tag, der Wind hat die meisten Blätter von den Bäumen geweht und ich dachte an das Frühjahr. An die Vielfalt der grünen Farben in der Natur. Da fiel mir das Wort Zuversicht ein und ich fragte mich, warum kann ich Liebe, Glaube und Hoffnung in der deutschen Sprache in ein Verb verwandeln. Wieso gehört die Zuversicht nicht dazu? Ich bin zuversichtlich, kann ich sagen. Doch kann ich es auch sagen, wenn ich es nicht empfinde? Kann ich sagen, ich bin zuversichtlich, wenn meine momentane Lebenslage eher zum Verzweifeln ist?
wäre Optimismus „auf Befehl“.
Wir können niemanden befehlen,
optimistisch zu sein.
Also kann ich mir auch nicht befehlen zuversichtlich zu sein.
Im selben Moment war ich davon überzeugt, dass ich zur Zuversicht selbst etwas beitragen kann.
So entstand der Gedanke: „Ich zuversichte“
Wie kann ich die Zuversicht zum Blühen bringen?
Zuversicht ist eine zutiefst menschliche Fähigkeit und wir alle tragen in uns die Möglichkeit, die Zuversicht zu beleben. Ganz bestimmt brauchen wir dazu Menschen, die uns inspirieren. Im Laufe meines Lebens haben mich viele Menschen inspiriert, einer davon war Viktor Frankl. Seine Sinnlehre ermutigt mich und fordert mich immer wieder aufs Neue heraus, nicht in einem stereotypen Denken hängen zu bleiben. Auch das berühmte „Trotzdem“ kann sich in ein Stereotyp verwandeln, wenn ich dies von anderen oder von mir selbst verlange.
Wir sind umgeben von Stereotypen, von bestimmten Vorstellungen, vertrauten Überzeugungen, welches Menschen oder Gruppen auf starre, leicht einprägsame Merkmale reduziert. Diese Einstellungen bedient eine Art von „Stammesdenken“, die tiefe Gräben in der Gesellschaft entstehen lässt.
Die Zuversicht fordert mein Interesse heraus, verlangt Zeit und Offenheit, mich mit Inhalten auseinanderzusetzen.
„Die Furcht bangt davor, was in der Zukunft verborgen ist; aber der Trost weiß darum, was in der Vergangenheit geborgen ist.“
Dieser Gedanke von Viktor Frankl erinnert mich an Ermutigendes und Schönes, das ich erleben durfte. Jedes Mal, wenn ich davon erzähle, wird die Erinnerung intensiver und tröstet mich in schwierigen Zeiten.
In diesem Sinne ist Zuversicht ein Schatz!
Ich erinnere mich an Bastian Berbner und seinen Podcast: „180 Grad Geschichten gegen den Hass“ Bereits vor fünf Jahren haben diese Geschichten von Menschen aus der ganzen Welt großes Staunen in mir ausgelöst. Nicht nur die Geschichten selbst berühren mich. Wie viel Zeit, Mühe, Ausdauer und vor allem Verantwortung hat Bastian Berbner eingesetzt, um diese ermutigenden Geschichten zu recherchieren.
Zur Zuversicht gehört nicht nur das wahrzunehmen, was sofort einleuchtet, sondern auch das aufspüren, was nicht auf den ersten Blick erkennbar ist. Ja, ich weiß, dass es aufgrund alltäglicher Belastungen für viele fast unmöglich ist, sich Zeit zu nehmen. Im Film „Patch Adams“ gibt es eine Szene, die für mich wesentlich ist: „Konzentrier dich nicht auf das Problem. Wenn du das tust, kannst du die Lösung nicht erkennen. Sieh weiter als nur auf die Finger. Du musst das sehen, was niemand sieht. Sieh’ das wovor alle anderen die Augen verschließen, und zwar aus Furcht, Konformität oder Faulheit. Dann erlebst du die Welt jeden Tag aufs Neue.“
Das sehen, was nicht sofort sichtbar ist, dazu brauche ich Zeit. In meiner Alter erlebe ich die Freiheit wählen zu können, wofür ich mit Zeit nehme, als Geschenk. Im gleichen Moment ist mir bewusst, dass dies Menschen, die mitten im Berufsleben stehen, nur begrenzt möglich ist. Dennoch bin ich überzeugt und ein Blick auf die Geschichte bestätigt meine Überzeugung, dass Václav Havel Recht hat:
die Möglichkeit zu begreifen,
dass auch er –
und sei er noch so bedeutungslos und machtlos –
die Welt verändern kann.
Jeder aber muss bei sich anfangen:
würde einer auf den anderen warten,
warteten alle vergeblich.
Woran liegt es, dass immer mehr Menschen Zuversicht verlieren?
Unser inneres Navigationssystem ist durch die Bilderwelt des Internets und durch die Schlagzeilen verschüttet. Meine Generation war gewohnt, dass die Bilder im Fernsehen und in den Printmedien ein vollständiges Bild der Realität verkünden. So sind heute einige in meinem Alter überzeugt, dass vieles den Tatsachen entspricht, was ihnen andere über WhatsApp übermitteln. Aus Schlagzeilen bilden sich unfassbar schnell Netzwerke der moralischen Empörung. Sie gleichen einem Spinnennetz, in denen sich unsere Aufmerksamkeit verfängt. Unsere Spezies hat eine Eigenart: Menschen verlangen meistens dann moralische Heldentaten, solange sie persönlich nicht „dran sind.“
Die schnelle Verfügbarkeit an Informationen führt dazu, dass wir verlernt haben, zu verweilen, gründlich nachzudenken und miteinander ins Gespräch zu kommen. Der Mangel an Vertiefung führt in die Oberflächlichkeit und so wirkt die Verführungskunst der Propaganda zerstörerisch. Einfache Parolen überschwemmen unser Fühlen, Denken und Handeln.
Bilden wir Netzwerke der Zuversicht
Wenn mir selbst keine guten Gedanken einfallen, brauch ich Inspiration von anderen.
Die Geschichten im Buch von Bastian Berbner sind keine Gebrauchsanweisung. Sie berühren jene, die offen genug sind, sich berühren zu lassen.
Welche Geschichte vermag Sie zu berühren?
Was geschieht, wenn Sie eine Erzählung berührt?
Meldet sich Ihr Verstand und bietet ihnen Ja, Aber-Argumente an?
Oder können Sie staunen über das, was einigen Menschen im Guten möglich ist.
„Wenn man Menschen dazu bringen will, ihre Meinungen zu ändern, wenn man zum Beispiel will, dass sie ihren Rassismus, ihre Homophobie, ihren Islamismus, ihren Anarchismus ablegen, dann hilft es nicht, ihnen zu sagen, dass sie falsch liegen, egal, wie oft oder wie laut, man muss es ihnen zeigen.“
Du kannst nicht wütend sein auf jemanden, der dich anlächelt.
Link zum Gespräch mit Bastian Berbner
Jede und jeder kann bei sich beginnen. Haben Sie schon einmal versucht, nicht zurück zulächeln, wenn Sie jemand anlächelt?
Nicht zu zurückzuwinken, wenn Ihnen jemand zuwinkt?
Ein Lächeln an der Supermarktkasse, beim Bäcker oder beim Einsteigen in den Bus verändert die Stimmung. Versuchen wir, Menschen anzulächeln, können wir nicht zu gleichen Zeit verärgert sein.
Wer lächelt trägt nicht nur zu guten Stimmung und zur Zuversicht anderer bei, sondern auch zur eigenen.